Rechtsinfovortrag

Q&A und Kommentare:

  • Mich würde interessieren, wie man agieren sollte/könnte, wenn man als Beschuldigte*r vorgeladen wird bzw. was passiert, wenn ich als Zeug*in geladen werde?
Beschuldigte*r: Als beschuldigte Person hat mensch das Recht, die Aussage zu verweigern, ohne dadurch Nachteile zu erfahren. Wenn ihr hingeht, könnt ihre eine Vertrauensperson mitnehmen. Dort verweigert ihr dann die Aussage. Gleichzeitig könnt ihr euch schon im Vorhinein an eine Antirepressionsgruppe wenden und Akteneinsicht beantragen, um mehr Infos zu bekommen.
Zeug*in: Als Zeug*in muss mensch der Ladung Folge leisten, ansonsten kann mensch mit Zwang vorgeführt werden (sofern das so auf der Ladung steht, was der Regelfall ist). Bei der Ladung selbst hat mensch an sich die Pflicht, vollständig und wahrheitsgemäß auszusagen. Wichtig zu betonen ist hier, dass man nie Sachen sagen sollte, an die man sich nicht vollständig erinnern kann – wenn man etwas nicht mehr so genau weiß, kann man dazu auch nichts sagen. Das kann auch keine Behörde von eine*r verlangen.
Sollte mensch der Ladung nicht nachkommen, oder keine Aussage bei der Polizei tätigen, kann diese Beugemittel, wie etwa Geldstrafen oder maximal bis zu sechs Wochen Haft, anordnen. Diese können aber nicht sofort verhängt werden, sondern müssen gerichtlich angeordnet werden und können auch mittels Rechtsmittel beeinsprucht werden. In so einem Fall sollte das diesbezügliche Vorgehen auf jeden Fall mit einer Rechtsberatung abgesprochen werden. Die Haft muss jedoch, sollte mensch doch aussagen, sofort abgebrochen werden, es handelt sich dabei um keine Strafe, sondern “nur” um ein Druckmittel.

Mensch kann auch nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten und hat in einem derartigen Fall jedenfalls ein volles Aussageverweigerungsrecht, welches auch nicht durch Beugemittel gebrochen werden kann.

  • Bezüglich Ausweis bei Nicht-Staatsbürger*innen: Wie teuer würde da eine allfällige Geldstrafe werden?

Wissen wir nicht so wirklich. Nach dem Fremdenpolizeigesetz (FPG) können “Fremde”, damit sind jedenfalls nicht Unionsbürger*innen gemeint, bei Verdacht, dass sie illegal eingereist sind, kontrolliert werden. Im FPG selbst findet sich keine Strafbestimmung, was den Schluss zulässt, dass auch keine verhängt werden kann. Personen ohne sicheren Aufenthaltstitel müssen aber mit Schubhaft bzw. einer Festnahme bis zur Identitätsfeststellung rechnen. Wie es sich für Unionsbürger*innen verhält, wissen wir leider nicht genau. Sollte es vertieftes Interesse an der Frage geben, können wir das aber gerne noch nachrecherchieren, schreibt bei Bedarf einfach eine Mail.

  • Ich fände noch interessant zu wissen, was genau mit der HandyVerschlüsselung gemeint ist?

Die Verschlüsselung kommt auf das Modell an. Bei manchen reicht ein Eingangscode aus, bei anderen nicht. Ein iPhone z.B. ist rellativ sicher, wenn es durch ein Passwort gesichert wird. Wichtig ist, dass der Fingerprint-Scan generell und v.a. vor einer Demo oder Aktion ausgestellt wird! Es ist im Rahmen des OATs allerdings auch noch ein eigener Verschlüsselungsvortrag geplant.

Zusätzlich könnt ihr auf euren Handys das allgemeine Datensystem mit verschiedenen Programmen oder manuell noch mehrfach verschlüsseln und es gibt auch noch verschiedene Apps für Kommunikation oder höheren Datenschutz, die relativ sicher sind.

Generell gilt: ein gutes Passwort, am besten eine längere Kombination aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen nehmen (auch Leerzeichen sind Sonderzeichen), statt eines Zahlencodes.

  • Was gilt als “Widerstand”?
Passiver “Widerstand” gilt nicht als Widerstand im Sinne des StGB. Losreißen, Wegstoßen, etc. werden jedoch bereits als Widerstand gegen die Staatsgewalt gewertet. Die Rechtssprechung ist dabei extrem rigoros und beurteilt fast jeglichen “aktiven” Kontakt mit Polizist*innen als Widerstand. Gerade in dem Bereich ist aus rechtlicher Sicht Zurückhaltung geboten. Sich an Gegenständen festhalten, hinsetzen, weglaufen (wenn man nicht festgehalten wird), etc. sind aber an sich unproblematisch. Aber: auch reflexartige Bewegungen gegen die Polizei können als Widerstand gewertet werden.
An sich ist ein Selbstschutz strafrechtlich nicht relevant: Ihr könnt euch ruhig dick anziehen, damit Polizeigewalt etwas abgefedert wird. Auch sind Schutzbrillen gegen Pfefferspray in Österreich zulässig.

Auch die Drohung mit Gewalt (um bspw. eine*n Genoss*in aus dem Gewahrsam der Polizei zu befreien) zählt als Widerstand. Hier ist die Schwelle natürlich höher angesetzt.

  • Another question, EU citizens with Meldezettel and a job: If they threaten us during incarceration with deportation (or if non EU) do we have to be scared?
In this case it depends on wheter you are “legally” in Austria or not. If you have work here and you are properly registered in Austria there shouldn’t be any substance to this threat. If they charge you with a crime, which would take weeks or months and has to be processed by a court and you get convicted, there is a chance that you can be deported. As long as your are not charged and convicted the police can’t send you away.

Especially in cases of non EU citizens the threat is even scarier. If you haven’t done anything there is no legal reason to send you away. The police could never do this because they just want to. Unfortunately there is always a chance that they charge you even if there wasn’t anything happening. Of course it is also possible that a court therefore finds you guilty. This of course would be a problem.

  • Kommentar: Mir wäre es wichtig, darauf hinzuweisen, dass – im Gegensatz zu Deutschland, wo das rechtlich anders geregelt ist – in Österreich eine angekündigte Kundgebung oder Demo NICHT BEWILLIGT ODER GENEHMIGT werden kann oder muss durch die Behörde. Es wird in den Zeitungen, aber auch in den sonstigen Medien immer wieder berichtet, dass eine solche Versammlung “genehmigt” wurde oder “nicht genehmigt” wird/wurde. Das glauben auch viele Leute, dass es so wäre. Das richtige Wort muss hier “untersagt” oder “nicht untersagt” sein, und hat also eine völlig andere Bedeutung im rechtlichen Sinne, weil dafür (manchmal recht grindige) Gründe vorhanden sein müssen.

Darüberhinaus wird trotz der Anzeigepflicht (48h vor der Versammlung) auch das Konzept der Spontanversammlung von den Höchstgerichten anerkannt. Sollte es also einen “plötzlichen” Anlass geben, muss eine derartige Versammlung nicht angekündigt werden. Diese Versammlung ist dann genauso zulässig wie jede andere. Auch eine nicht angekündigte Versammlung darf nicht ohne weiteres aufgelöst werden.

  • Beleidigungen/Drohungen auf Demos: Generell sind Beleidigungen im öffentlichen Raum nicht erlaubt, aber einige Parolen auf Demos sind grenzwertig… wo ist die Grenze genau?
Hier muss jedenfalls unterschieden werden ob es sich um Parolen handelt, welche keine konkreten Personen adressieren – solche sind an sich in aller Regel straffrei (wenn sie nicht etwaige Grenzen wie Aufruf zu konkreten Straftaten überschreiten). Parolen im wie “ACAT” (“All Cops are Targets”) sind strafrechtlich irrelevant (auch eine Verwaltungsstrafbarkeit wurde im Zusammenhang mit einem Rapid-Transparent von einem Höchstgericht verneint).
Anders gelagert sind konkrete Angriffe auf eine bestimmte Person. Das öffentliche Abwerten einer Einzelperson fällt unter das StGB. Die Schwelle ist unterschiedlich, je nachdem, ob es sich dabei um Personen des öffentlichen Lebens (wie etwa Politiker*innen) handelt oder Privatpersonen (z.B. Personen, die neben einer Demo stehen). Auch Anlass und Schwere der Beleidigung ist ausschlaggebend für die Strafbarkeit. Bei Beleidigungen handelt es sich darüber hinaus um Privatanklagedelikte, das heißt, diese können nicht von der Polizei (Staatsanwaltschaft) von sich aus verfolgt werden, sondern es bedarf ein Vorgehen durch die betroffene Person.

Die Strafbarkeit von Beleidigungn bewegt sich auch immer in einem Spannungsverhältnis mit der Meinungsfreiheit und bedarf im Fall einer Anzeige auch immer einer Abwägung. Grundsätzlich muss mensch sich den Mund nicht schon aus vorauseilenden Gehorsam verbieten lassen, dass jedoch durch den Staat nicht alles toleriert wird und im solche Fälle im Extremfall auch mit dem Strafrecht geahndet werden, sollte im Hinterkopf behalten werden.

  • Was sollen wir tun, wenn wir von der Polizei kontrolliert werden?

Bei einer Kontrolle der Polizei muss sie als Amtsperson handeln, d.h. ihr könnt zuerst einmal fragen: “Ist das eine Amtshandlung?”. Wenn nicht, muss einer Aufforderung der Polizei nicht Folge geleistet werden.

  • Wie muss man sich bei der Rechtshilfe-Nr. melden? Welche Infos braucht ihr, damit ihr uns helfen könnt?
Das Rechtsinfotelefon ruft ihr an, wenn ihr
1) eine Person vermisst, 
2) eine Festnehme beobachtet (habt),
3) selbst im Knast seid. 

Am anderen Ende der Leitung sitzen dann Leute, die euch Sachen fragen, die sie wissen müssen. Was ihr nicht sagen solltet: was ihr getan habt. Wenn ihr den Tatvorwurf wisst – also was euch die Polizei vorwirft, getan zu haben -, könnt ihr ihn nennen. Je nachdem, ob ihr die Herausgabe eurer Identität verweigern konntet, solltet ihr auch nicht euren Namen sagen oder anderes nennen, was euch identifizierbar macht. Ihr könnt z.B. euren Alibinamen nennen, den auch die anderen aus eurer Bezugsgruppe kennen. Im besten Fall hat eure Bezugsgruppe auch schon das Rechtshilfetelefon kontaktiert. Je nach Situation wird dann ein*e solidarische*r Anwält*in zu euch reingeschickt. Es ist auch dringend davon abzuraten, mit Anwält*innen der Polizei (solchen, die euch im Knast vorgeschlagen werden) zu sprechen.

  • Wo darf man sich als Gegendemo aufhalten? Bezüglich Blockaden, etc.
Grundsätzlich gibt es seit einigen Jahren eine 50 Meter Sperrzone rund um Versammlungen. Dieser Abstand muss also, damit die Versammlung von den Behörden nicht untersagt wird, eingehalten werden. Eine Blockade, also eine Versammlung, in der Route einer davor angemeldeten Demo, wird immer untersagt werden. Eine Blockade ist daher immer potentiell von Auflösung bedroht.

Wichtig zu sehen ist aber, dass auch eine “Gegendemo” den Schutz des Versammlungsrechts genießt und nicht ohne weiteres aufgelöst werden kann.

  • Was genau ist eine Sponti, was sind die rechtlichen Grundlagen dafür?
Die rechtlichen Grundlagen für eine Spontanversammlung liegen in der Rechtssprechung, finden sich also nicht im geschriebenen Gesetz. Diese sind jedoch völlig anerkannt, haben für uns also die gleiche Wirkung, als wären sie im Gesetz niedergeschrieben.

Eine Spontanversammlung liegt immer dann vor, wenn es unmöglich war, die Versammlung rechtzeitig bei den Behörden anzukündigen. Beispiel: Es kommt zu einem weiteren Femizid. Eine feministische Versammlung, welche eine Zerstörung des Patriarchats fordert, darf sich noch am selben Abend ohne Ankündigung versammeln, weil es einen konkreten spontanen Auslöser gibt, der erst unmittelbar bekannt geworden ist. Paradebeispiel: Regierungsauflösung – Party am Heldenplatz.

  • Welche Dekorationen sind erlaubt? Kreide, Sprühkreide, andere Farbe, Banner, Kleister, o.ä.

Hier muss wiederum unterscheiden werden zwischen gerichtlichem Strafrecht und dem Verwaltungsstrafrecht. In ersteres gelangt man nur bei einer “dauerhaften Substanzbeeinträchtigung” – darunter kann jedoch auch schon Stickern fallen. Normale Kreiden sollten da völlig unproblematisch sein. Sprühkreide – unklar. Farben, die sich nicht abwaschen lassen (insbesondere “Graffiti”) fallen ins Strafrecht. Ebenso das Ankleistern von Plakaten, etc. Normales Kreiden kann evtl eine Verwaltungsübertretung sein – das hängt von den Landesgesetzen bzw. Gemeindeverordnungen ab. Erfahrung: Polizei ist hier eher kulant, maximal kleine Geldstrafe.

  • Welche Aktionen muss man anmelden, welche nicht?
An sich muss jede Ansammlung von Personen angemeldet werden. Was taktisch Sinn macht und was mensch besser ohne Anmeldung macht, muss der jeweilige Zusammenhang für sich entscheiden. Gewisse Aktionsformen, wie etwa Blockaden, würden bei einer Ankündigung jedenfalls untersagt, was dies taktisch unklug macht.

Ein Sonderfall: In Zweiergruppen flyern fällt nicht unter das Versammlungsrecht und muss somit nicht angekündigt werden.

  • Wie sieht es rechtlich bei Blockaden mit zivilem Ungehorsam aus und was kann die Strafe dafür sein? Muss ein Führerschein von der Polizei bei der Identitätsfeststellung akzeptiert werden?
Mit gewöhnlichen Blockaden bewegt mensch sich in aller Regel nicht im Bereich des gerichtlichen Strafrechts. Natürlich können Verwaltungsstrafen und eventuell auch zivilrechtliche Klagen (bspw. von Kraftwerksbetreiber*innen) drohen. Die Verwaltungsstrafen sind in der Regel Geldstrafen, welche nur bei Uneinbringlichkeit zu einem Freiheitsentzug führen.
Eine österreichische Lenkberechtigung reicht jedenfalls als Nachweis der eigenen Identität. Vermutlich auch andere EU-Lenkberechtigungen. Sollten die Behörden einfach daran interessiert sein, deine Identität festzustellen und weiter nichts, reicht dies auf alle Fälle aus. Die Erfahrungen der Klimaproteste zeigen uns jedoch, dass auch ein mitgeführter Ausweis nicht unbedingt dazu führen muss, dass die Identität sofort festgestellt wird und mensch nachhause kann.